Freunde der gepflegten Erheiterung über Missgeschicke von Fremden werden auf dem Youtube Kanal „Fail Army“ fündig, wahlweise auch beim Bedürfnis nach Fremdschämen. Meines Wissens bin ich dort noch nicht aufgetaucht, meine damaligen, abenteuerlichen Blitzaufbauten und die Fehler, die sich daraus ergeben haben, wären jedenfalls dafür ein Video wert gewesen.
Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass sich angehende Blitzfotografen vor der Technik des Blitzens scheuen, vielleicht nicht, weil sie befürchten bei „Fail Army“ aufzutauchen, jedoch das Available Light vorziehen, bevor sie, um überhaupt ein Foto machen zu können, an gefühlt 50 Dinge gleichzeitig denken müssen.
Ich habe versucht diese Dinge seinerzeit pragmatisch anzugehen. Herausgekommen ist häufig Murks, Bilder, die ich heute auch niemandem mehr zeigen möchte, auch nicht auf „Fail Army“. Dieser Blogbeitrag und das aktuelle Video auf Akigrafie Live sollen helfen die häufigsten Fehler bei der Blitzfotografie zu verstehen, zu vermeiden und einen einfachen, effizienten Weg zu lernen, der schnell zu guten Fotos mit Blitz führt.
Schnell und einfach erstelltes Blitzfoto mit wenig Ausrüstung
Erster Fehler: „viel hilft viel“.
Viel Blitzenergie kann seine Vorteile haben (dazu später), jedoch nicht im Sinne von mehr als drei Blitzgeräten. Ich hatte seinerzeit sechs davon, und nicht selten alle gleichzeitig im Einsatz. Ironischerweise löste manchmal nur einer davon aus. Und selbst wenn die Meisten sich zur Arbeit bewegen ließen: Licht aus allen möglichen Richtungen führt in den wenigsten Fällen zu einem ansprechenden Ergebnis.
Der unschönen Fotos leid, tauschte ich irgendwann einmal die Horde an Aufsteckblitzen für einen Jinbei HD600, immer noch der Meinung mit 600 Wattsekunden das Licht beherrschen zu können. Ein Fotomodell mit massiv Licht beleuchten zu können, kann unter Umständen hilfreich sein, führt aber aus mangelnder Kenntnis vom Verhältnis Umgebungslicht zu Blitzenergie- und Richtung erneut zu augenunfreundlichen Ergebnissen.
Zweiter Fehler: unterschiedliche Systeme einsetzen
Kombiniert man Blitzgeräte unterschiedlicher Hersteller, sollte man bedenken, dass dies nie zu Synchronizität führen wird. Jeder Hersteller hat sein eigenes System wie die Blitze an- und gesteuert werden müssen. Es ist also praktisch unmöglich mit einem Sender alle eingesetzten Lichtquellen ansteuern und in der Leistung regeln zu können. Hinzu kommt, dass die Geräte verschiedene Farbtemperaturen, Nachladezeiten und Leitzahlen haben. Hier hilft nur noch der „Slave“ Modus und ein Infrarotauslöser, man macht sich aber meist genau zu besagtem Sklaven der Technik, denn neben der Auslösung lässt sich nichts weiter verändern.
Dritter Fehler: zu viel Zubehör benötigen
Auch die Bauweise der Blitze spielt eine Rolle, um sie effektiv einzusetzen. Ursprünglich war der Aufsteckblitz, ganz seinem Namen entsprechend, zum Anbringen auf der Kamera gedacht und daher mit einem Blitzschuh versehen. Möchte man sie jedoch entfesselt nutzen, braucht man eine Adapterlösung für das Lichtstativ. Bei den Meisten fehlt auch eine Anschlussmöglichkeit für einen Lichtformer, die kann besagter Adapter zwar bieten, dafür muss aber dann jeder Lichtformer anbringbar sein. Im Laufe der Jahre hat sich beinahe jeder Hersteller ein eigenes Bajonett einfallen lassen, was meist zu Inkompatibilität und einer ganzen Menge an Adaptern und Sonderlösungen im Fotokoffer führt.
Vierter Fehler: je ein System für Indoor und Outdoor benötigen
Auch wenn so mancher Studioblitz so mächtig wie Meister Windu ist: es gilt nur für seine Fertigkeiten mit dem Lichtschwert. Studioblitze sind spätestens beim Outdooreinsatz unbrauchbar, da bekanntermaßen nirgends eine Stromquelle zur Verfügung steht. Auch die Jedi wissen um die Vorteile eines Akkus. Zumindest habe ich noch kein Lichtschwertduell mit angeschlossenem Netzkabel gesehen. Es gilt daher, allein aus Kostengründen, ein System zu finden, das leistungsstark genug für den Studioeinsatz ist und die Vorteile der Blitzsynchronisation bei sehr kurzen Verschlusszeiten im Outdoorbereich mit sich bringt. Und das führt uns zum fünften und letzten Fehler:
Fünfter Fehler: HSS und klassische Synchronzeiten nicht kennen
HSS steht für High Speed Sync, wie schon erwähnt bedeutet dies einen Blitz bei Verschlusszeiten jenseits der 1/250 auslösen zu können. Die meisten Studioblitze und günstigeren Aufstecks erzeugen dann nämlich schwarze Streifen im Bild, die selbst Bildbearbeitungsgötter nicht mehr entfernen könnten. Daher ist es, bei allem verständlichen Liebäugeln für billige Blitzausrüstung, nötig sein Equipment gleich zu Beginn auf Kompatibilität mit HSS zu prüfen – und das gilt für den Blitz wie für die Kamera gleichermaßen.
Das alles klingt nach derart viel was man wissen und bedenken muss, dass ich es absolut verstehen kann, dass Blitzfotografie mehr Spaßbremse als erfüllendes Hobby sein kann. Ich fahre zum Beispiel ein Elektroauto, bekanntermaßen eine recht komplexe Technik, die im Fahrzeug verbaut ist, brauche aber um es zu bewegen auch kein Ingenieursstudium.
Was also tun?
Wenn man drei einfache Dinge beachtet, kehrt der Spaßfaktor zurück und man genießt die Vorteile, die Blitzfotografie mit sich bringen:
Nur ein System einsetzen
Ein „System“ bedeutet hier ein Hersteller allein und nicht die Kombinate mehrerer.
Vorteile:
nur ein Sender für alle Geräte und damit alles an der Kamera direkt regelbar
kaum Blitzaussetzer, da immer das gleiche Übertragungssystem
Gleiche Systemlogik: alle Geräte arbeiten nach dem gleichen Prinzip. Fummeliges, immer unterschiedliches Bedienen fällt damit weg
Kombinat aus mehreren Blitzen aus einem System
HSS kompatibles und leistungsstarkes System verwenden
Bleibt man bei einem Hersteller (wie Godox oder Neewer), die fast bei jedem Gerät HSS als Standard mitliefern, gilt es nur noch auf die Leistung zu achten.
Vorteile:
Blitze sind für Indoor, Studio und Outdoor gleichermaßen nutzbar
Unabhängigkeit von externen Stromquellen
HSS für den Blitzlook Outdoor und im Studio für schnelle Bewegungen
Ab 200 Wattsekunden sind genügend Reserve für Fotos mit höheren Blendenstufen im Studio möglich
Foto bei Gegenlicht mit sehr kurzer Verschlusszeit (t=1/8000 bei f1.8)
Nur noch drei verschiedene Lichtformer einsetzen
Auch wenn viele Hersteller den Sauron machen und mit ihren Ringen, Verzeihung, Bajonetten, ihre Kunden binden (und knechten) wollen, setze ich bei meinen Empfehlungen auf das altbewährte Bowens-Bajonett, mit dem man einen Großteil der Lichtformer anbringen kann. Altbewährte Schwerttechnik hat auch schließlich Aragorn zur Krone verholfen.
Vorteile:
Der Beautydish ist universell einsetzbar um mittelhartes, kontrastreiches Licht zu erzeugen und schluckt so gut wie keine Lichtenergie, da er ohne Diffusorbespannung auskommt.
Eine Softbox ist optimal, um weiches und natürlich wirkendes Licht zu erzeugen, dabei spielt die Größe zwischen 60 und 90cm keine Rolle. Man sollte nur daran denken, dass eine 120cm Softbox wie ein Segel wirkt, will man draußen bei lebhaftem Wind fotografieren.
Der Standardreflektor (am besten mit passender Wabe) eignet sich, um mit einem zweiten Blitz Effekt- und Streiflichter zu erzeugen. Das harte, weitstreuende Licht eines Aufsteckblitzes kann damit konzentriert und vom Einfall in das Objektiv abgehalten werden.
Kombination aus Beautydish, Standard-Reflektor und HSS
Mein ganz persönliches Setup besteht daher aus folgenden Komponenten, die ich nach einiger Erfahrung als einfach zu bedienendes und effektives Set empfehlen darf:
1x Neewer Q4
1x Neewer Q3
1x Neewer Z1 (oder Z2, je nach Verfügbarkeit)
1x Neewer 60cm Softbox Octagonal und Beauty Dish
1x Neewer 85cm Parabolic Softbox mit Waben
Wer möchte, kann sich dazu noch den preiswerten Neewer 152cm Durchlichtschirm dazu legen. Praktisch um die Sonne zu blocken, weiches Licht zu erzeugen und/oder sein Equipment und Modell vor Regen zu schützen.
Natürlich braucht es dazu noch Lampenstative, hier gebe ich außer einem sicheren Stand, Tragfähigkeit und mindestens 200cm Höhe keine Empfehlungen.
Natürlich sprechen wir hier von einer Erstinvestition von ca. 1000 – 1300 Euro, jedoch ist das immer noch bedeutend günstiger als all die Gerätschaften, die sich mit der Zeit ansammeln und von denen, insbesondere in der Kombination, keines so wirklich effektiv und zeitsparend einsetzen lassen kann.
Eines ist jedenfalls klar: die Macher von „Fail Army“ werden mit diesen Tipp wohl keinen Fotografen mehr für ihre Videos finden.
Diesen Blogbeitrag gibt es auch als umfangreiches YouTube Video mit Bildbeispielen und weiteren Erläuterungen:
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